20 Text- und Bildautoren aus Deutschland, Kanada und Schweden stellen in 18 Beiträgen aktuelle Ergebnisse zum Thema FASDvor (FASD = Fetal Alcohol Spectrum Disorder, fetale Alkoholspektrum-Störungen). Das Kompendium liefert aktuelles und praxisbezogenes Informationsmaterial für Eltern, Pflege – und Adoptiveltern, Ärzte, Psycho-, Physio- und Ergotherapeuten, Lehrer und Berufsausbilder, Jugendämter sowie für Kosten- und Bildungsträger, das durch Fallbeispiele und Hinweise auf weiterführende Informationsquellenergänzt wird.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Mechthild Dykmans weist in ihrem Grußwort auf die„erschreckende Tatsache (hin), dass in Deutschland Alkoholkonsum eine der größten vermeidbaren Gefahren für die Entwicklung des ungeborenen Lebens ist“.Sie plädiert für „0,00 Promille in der Schwangerschaft und in der Stillzeit“. In Deutschland werden Jahr für Jahr ca. 3.300 Kinder mit FASD geboren. Etwa 33.000 ein- bis 10jährige Kinder mit FASD leben zur Zeit in Deutschland. Die Diagnose wird bisher aber nur bei 0,3-16,4% der Patienten gestellt, obwohl aus Deutschland bereits seit 1974 in kasuistischen Beiträgen bzw. in Fallserien u.a. durch Hans-Ludwig Spohr, Hermann Löser, Frank Majewski und Hans-Christoph Steinhausen über mehr als 600 Patienten berichtet wurde. Deshalb werden von erfahrenen Ärzten und Psychologen ausführliche praxiserprobte Hinweise präsentiert, wie die Diagnose FASD gestellt werden kann und wie die Herausforderungen in Diagnostik und Therapie gemeistert werden können.
Alkohol während der Schwangerschaft führt zu Störungen zahlreicher Strukturen des zentralen Nervensystems. Michael Noll-Hussong als Ulm legt dazu eine umfangreiche Übersicht aus neurobiologischer Sicht vor. 25% (15/60) der in Münster untersuchten Menschen mit FASD haben nach Angaben von Reinhold Feldmann und Mitarb. keinen Schulabschluss. Von 42 Menschen mit FASD waren 46% der Frauen in einer Werkstatt für behinderte Menschen tätig, während dies nur bei 20% der betroffenen Männer der Fall war. Demgegenüber waren 40% der Männer, aber nur 9% der Frauen mit FASD berufstätig. Zahlreiche kurze Fallbeispiele und Alltagssituationen zeigen, dass es gelingen kann, Teilhabe für Menschen mit FASD Schritt für Schritt zu realisieren.
Psychologische Untersuchungen in 72 Familien, die ein Kind mit FAS(D) betreuen, zeigten im Kontrollgruppendesign, dass bildgestützte Informations- und Übungsmaterialien, die im häuslichen Bereich eingesetzt werden, dazu beitragen, dass die Alltagskompetenzen von Kindern mit FASD bei gleichzeitiger Stressentlastung der Familie erhöht werden. Hannah Schmidt und Michaela Fietzek aus Münster bzw. Rheine evaluierten diese neu entwickelten Materialien.
Die Rechtsanwältin Gila Schindler aus Heidelberg und Berlin kommt nach der umfassenden Analyse bisheriger Regelungen zu dem Ergebnis, dass der Zugang zu Leistungen aus demSozialgesetzbuch VIII und SGB XI durch den Gesetzgeber in die „Gesamtverantwortung der Kinder- und Jugendhilfe“ überführt werden sollte, um „unnötige und ineffiziente Zuständigkeitsstreitigkeiten“ zu beseitigen. Aus Kanada wird ein ganzheitlich orientiertes Versorgungsmodell vorgestellt, in dem medizinische Aspekte mit Ergebnissen der Lebensqualitätsforschung und den zunehmend auch in Europa diskutierten „Advocacy“-Modellen verbunden werden. „Advocacy“ bezieht Patienten von vornherein in einen partnerschaftlichen Dialog ein, erläutert Osman S. Ipsiroglu aus der Universität Vancouver. Diagnostische Fragebögen und ein dreistufiges Curriculumkonkretisieren diese Überlegungen. Ekkehart Paditz aus Dresden gibt 12 Praxistipps zur Bewältigung und Prävention der oft gravierenden Ein- und Durchschlafstörungen bei Menschen mit FASD, die bei FASD bis zu 10fach häufiger als bei Kindern ohne FASD auftreten. Eine To-do-Liste mit Hinweisen zu Symptomen, die auf Schlafstörungen hinweisen können sowie Tabellen über den Kenntnisstand zu Melatonin sowie über Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Medikamenten bei FASD-assoziierten Schlafstörungen sind in diesem praxisorientierten Überblick ebenfalls zu finden.
Der griffige Präventionsflyer der Drogenbeauftragten der Bundesregierung und der Hinweis auf das älteste Alkoholenthaltungsgebot während der Schwangerschaft („Du wirst schwanger werden, darum trinke von nun an keinen Wein“, Buch der Richter 13,3) illustrieren, dass die FASD-Primärprävention in Deutschland noch vor großen Herausforderungen steht. Dass man alkoholgefährdete Frauen erreichen und auf diesem Wege zu einer deutlichen Senkung der FASD-Häufigkeit beitragen kann, zeigen aktuelle Untersuchungen aus Südafrika und aus Australien.
Fachbuchbroschur 14,8 x 21,0 cm im Hochformat
144 Seiten + Umschlag
Inhalt sw / Umschlag 4-farbig
ISBN 978-3-942 622-05-9
Herausgeber:
Prof. Dr. med. habil. Ekkehart Paditz, Dresden
Prof. Dr. med. habil. Osman S. Ipsiroglu, Vancouver
FASD Deutschland e.V., Lingen
Gestaltung: Bettina Lindner, Dresden